Die Abwässer, die im gesamten Verbandsgebiet anfallen, werden im zentralen Klärwerk „Untere Selz“ in Ingelheim am Rhein gereinigt. Das gereinigte Abwasser wird anschließend in den Rhein im Bereich des Ingelheimer Stadtteils Frei-Weinheim eingeleitet und so wieder Bestandteil des natürlichen Wasserkreislaufes.
Die Anlage ist für 120.000 sogenannte Einwohnerwerte ausgelegt. Der Einwohnerwert ist eine Rechengröße der Abwasserreinigung zur Dimensionierung einer Kläranlage. Er setzt sich aus der eingetragenen Belastung von organisch abbaubaren Stoffen durch Einwohnerinnen und Einwohner sowie durch Gewerbe und Industrie zusammen.
Jährlich rund 7,5 Millionen Kubikmeter Abwasser, das entspricht dem Volumen von 3 Cheops-Pyramiden, durchfließen das Klärwerk und werden in den nachfolgend beschriebenen Anlagenteilen gereinigt.
Die erste Station in der mechanischen Reinigung ist der Rechen. Hier werden grobe Stoffe aus dem Zulaufstrom entfernt. Das Rechengut wird anschließend gewaschen und ausgepresst, um den Wassergehalt zu reduzieren. Das übrig gebliebene Material wird thermisch verwertet. Das Rechengut besteht zum Großteil aus organischen Substanzen, wie Papierfasern oder Haaren, aber auch aus Stoffen, die nicht in das Abwasser gehören, wie Lebensmittelreste oder Feuchttücher.
Ebenfalls zur mechanischen Reinigung gehört der Sandfang. Da am Abwassernetz auch sehr viele Straßenentwässerungen sowie Wegeflächen von Privatgrundstücken angeschlossen sind, werden gerade bei Regenwetter große Sandmengen mit den Kanälen bis zum Klärwerk transportiert. Im Sandfang wird durch eine seitliche Belüftung dafür gesorgt, dass sich der schwerere Sand absetzt und abgesaugt werden kann.
Nach dem Sandfang wird das Abwasser aufgrund der topografischen Lage des Klärwerkes in einem Zwischenpumpwerk rund 4 Meter nach oben gepumpt und gelangt anschließend in das Vorklärbecken. Durch die große Fläche des Vorklärbeckens und die damit verbundene Verringerung der Fließgeschwindigkeit setzen sich am Boden des Beckens schwere Stoffe als Primärschlamm ab. Außerdem werden an der Oberfläche Schwimmstoffe abgetrennt.
Im nächsten Schritt gelangt das Abwasser in die Belebungsbecken. Da bisher nur ungelöste Stoffe entfernt wurden, müssen nun die gelösten Stoffe abgebaut werden. Dies erfolgt mithilfe von Mikroorganismen, weshalb diese Reinigungsstufe als biologische Reinigung bezeichnet wird.
Es folgt ein wenig Chemie: Mit dem Prozess der Nitrifikation wird Ammoniumstickstoff zu Nitrit und anschließend zu Nitrat unter Sauerstoffzufuhr umgewandelt. Um den Sauerstoff bereitzustellen, werden während dieses Prozesses die Becken belüftet, d.h. Sauerstoff wird über Gebläse zugeführt.
Anschließend wird bei der Denitrifikation das Nitrat letztendlich zu Stickstoff, der in die Luft entlassen wird, umgewandelt. Dieser Prozess funktioniert nur ohne Sauerstoffeintrag, weshalb die Gebläse während der Denitrifikation ausgeschaltet sind. Die Mikroorganismen bauen währenddessen auch Kohlenstoff ab. Letztendlich wird durch die Nitrifikation und Denitrifikation der durch die menschlichen Ausscheidungen eingetragene Ammoniumstickstoff sowie Kohlenstoff abgebaut.
Auch Phosphor befindet sich im Abwasser in zu hoher Konzentration. Phosphor kann jedoch im erforderlichen Maß nur durch Zusatz anderer Stoffe entfernt werden, weshalb an zwei Stellen im Reinigungsprozess sogenanntes Fällmittel hinzu dosiert wird. Dies löst eine Reaktion aus, wodurch Teile des gelösten Phosphors feste Verbindungen eingehen und sich ablagern.
Bei all diesen Prozessen bilden die beteiligten Mikroorganismen große Kolonien in Schlammflocken. Diese Flocken bilden wiederum den sogenannten Belebtschlamm.
Damit der Belebtschlamm nicht in den Wasserkreislauf gelangt, wird das Abwasser nun in die Nachklärbecken geleitet. Ähnlich wie im Vorklärbecken kann sich aufgrund der großen Fläche und niedrigen Strömungsgeschwindigkeit der Schlamm am Boden absetzen. Ein sogenannter Rundräumer schiebt den Schlamm in Richtung Beckenmitte, wo er abgepumpt wird.
Das sowohl mechanisch als auch biologisch gereinigte Abwasser fließt nun noch an einer Messstation vorbei und wird anschließend in den Rhein geleitet.
Im Reinigungsprozess fällt, wie gerade beschrieben, Schlamm an. Während ein Teil des Schlamms aus dem Nachklärbecken immer wieder zurück in die Belebungsbecken gepumpt wird, um die biologischen Prozesse stabil zu halten, wird der Überschuss in einen sogenannten Voreindicker gepumpt. Hier ruht der Schlamm und es kann sich noch ein Teil des Wassers abtrennen, bevor er in einen der Faultürme geleitet wird.
Im Faulturm herrscht eine Temperatur von 37 Grad Celsius. Unter Luftabschluss wird der Schlamm hier durch Mikroorganismen zersetzt und es entsteht Methangas. Dieses Gas wird in Blockheizkraftwerken zur Erzeugung von Wärme und elektrischer Energie genutzt. Die Wärme wird für die Beheizung der Faultürme, die elektrische Energie für den Betrieb von Pumpen, Gebläsen und allen anderen Energieverbrauchern genutzt. Durch die Gaserzeugung aus den Faultürmen erzeugt das Klärwerk im Jahr über 80% seines Energiebedarfs selbst.
Der ausgefaulte Schlamm, mit dem kein Gas mehr gewonnen werden kann, ist noch sehr nass. Mit einer Zentrifuge, ähnlich einer Salatschleuder, wird dieser entwässert und anschließend nach Mainz zur Klärschlammverbrennungsanlage transportiert, in der nochmals Energie gewonnen wird. Zukünftig soll über die dort entstehende Asche der enthaltene Phosphor zurückgewonnen werden, um ihn zukünftig beispielsweise als Pflanzendünger einsetzen zu können.
Die gesamten Prozesse des Klärwerkes werden mit einem Prozessleitsystem überwacht. In diesem digitalen Nervensystem fließen alle wichtigen Betriebsdaten zusammen und es kann bei Bedarf eingegriffen werden. Auch die vielen technischen Außenanlagen, die sich im gesamten Verbandsgebiet befinden, können hier zentral überwacht werden.
Zudem wird im betriebseigenen Labor regelmäßig das Abwasser aus Zu- und Ablauf sowie der Schlamm auf verschiedene Inhaltsstoffe und gesetzliche Grenzwerte hin überprüft. Diese Kontrolluntersuchungen sind wichtig, um sicherzustellen, dass stets nur gereinigtes Abwasser in den Rhein gelangt, das den hohen Qualitätsanforderungen an dessen Güte gerecht wird.